Zwillingsstudien

 

[engl. twin studies], [EW, FSE], die meisten verhaltensgenetischen Studien (Verhaltensgenetik) bedienen sich der Zwillingsmethode (Zwillingsforschung). Zwei Arten von Zwillingsstudien werden unterschieden: die Untersuchung getrennt aufgewachsener eineiiger Zwillinge (EZ) und der Vergleich der Ähnlichkeiten gemeinsam aufgewachsener EZ und zweieiiger Zwillinge (ZZ). Mitunter wurden auch getrennt aufgewachsene ZZ untersucht.

Getrennt aufgewachsene EZ: Die Intraklassenkorrelation zw. den Merkmalsausprägungen getrennt aufgewachsener EZ schätzt die Erblichkeit des jeweiligen Merkmals, wenn die Z.geschwister in unkorrelierten Umwelten aufwuchsen, d. h., ihre Umwelten sich nicht stärker ähnelten als die nicht verwandter Personen. Zudem sollten die getrennt aufgewachsenen Z.paare nicht wegen bes. großer phänotypischer Ähnlichkeit überhaupt ins Blickfeld der Forscher geraten sein. Eine bes. umfangreiche Studie an getrennt aufgewachsenen EZ ist die am Minnesota Center for Twin and Adoption Research (MICTAR) durchgeführte Minnesota Twin and Family Study (Bouchard et al., 1990). Mehr als 100 getrennt aufgewachsene Z.paare bzw. Drillinge aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Australien, Kanada, China, Neuseeland, Schweden und Dt. nahmen seit 1979 daran teil und wurden ausgiebig untersucht.

Vergleich gemeinsam aufgewachsener EZ und ZZ: Dies ist ein häufig realisierter Untersuchungsansatz. In einige Studien wurden mehrere tausend Z.paare einbezogen. Hinzu kommt, dass in den skandinavischen Staaten Z.register existieren, die es ermöglichen, bevölkerungsrepräsentative Stichproben zur Teilnahme einzuladen. Die in diesen Untersuchungsansatz eingehende sog. equal environments assumption, derzufolge die Umwelt zur Ähnlichkeit EZ nicht stärker beiträgt als zur Ähnlichkeit ZZ, trifft offenbar zu: Zwar wachsen EZ in ähnlicheren Umwelten auf als ZZ, aber dies dürfte die Folge und nicht die Ursache ihrer erhöhten Verhaltensähnlichkeit sein (Borkenau et al., 2002). Korrelationen zw. gemeinsam aufgewachsenen Z. werden heute zumeist mit Strukturgleichungsmodellen analysiert. Liegen außer den Messwerten der Z. keine weiteren Daten vor, so wird angenommen, bei EZ korrelierten die genetischen Einflüsse zu 1,00, während für ZZ die Korrelation der additiven genetischen Einflüsse 0,50 und die der nichtadditiven genetischen Einflüsse (Dominanzeffekte) 0,25 betrage. Weiterhin seien bei beiden Arten von Zwillingen die Effekte der gemeinsamen Umwelt zu 1 und die der spezif. Umwelt zu 0 korreliert. Diese Annahmen implizieren, dass bei Vorliegen von Epistase (Verhaltensgenetik) die Erblichkeiten überschätzt und bei selektiver Partnerwahl die genetischen Einflüsse zugunsten der Bedeutung der gemeinsamen Umwelt unterschätzt werden. Diese Mehrdeutigkeiten lassen sich durch die Berücksichtigung weiterer Verwandtschaftskonstellationen überwinden. Bedeutende Z.studien sind die NMSQT-Studie von Loehlin und Nichols (1976), die Swedish Adoption/Twin Study of Aging (SATSA; Pedersen et al., 1991), die Finnish Twin Cohort Study (Rose et al., 1988), in der alle ca. 12000 EZ und gleichgeschlechtlichen ZZ untersucht wurden, die von 1940–1957 in Finnland geboren wurden, eine australische Studie von Lake et al. (2000) sowie die längsschnittliche Twins Early Development Study (TEDS) zur Intelligenz- und Sprachentwicklung ab dem frühesten Kindesalter, an der mehr als 15000 Z.paare aus England und Wales beteiligt sind (Trouton et al., 2002). Ebenso wie die TEDS liefert die längsschnittliche Louisville-Z.studie (Wilson, 1983), in der mehrere hundert Z.paare vom 3. Lebensmonat bis zum 15. Lebensjahr 15-mal getestet wurden, interessante Aufschlüsse über genetische Einflüsse auf Entwicklungsprozesse. Aus dem dt. Sprachraum sind die Genetisch orientierte Lebensspannenstudie zur Differentiellen Entwicklung (GOLD), die Bielefelder Längsschnittstudie an erwachsenen Z. (Riemann et al., 1997; Spinath et al., 2002) sowie die Deutsche Beobachtungsstudie an erwachsenen Z. (Borkenau et al., 2001) zu erwähnen. Anlage-Umwelt.

Referenzen und vertiefende Literatur

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