Zwillingsforschung

 

[engl. twin research], [EW, FSE, PER], eine Methode der  Verhaltensgenetik, meist verwendet zur Abschätzung  der  quant.  Anteile  von  Anlage  und Umwelt (Anlage-Umwelt). Das Ausmaß, der Anteil der genetischen Varianz eines Merkmals (z. B. IQ) an der Gesamtvarianz des Merkmals in der betrachteten Population (die Erblichkeit des Merkmals in der Population) wird durch den Vergleich von ein- und zweieiigen Zwillingen geschätzt (Heritabilitäts-IndexZwillingsstudien). Neuerdings wird die Zwillingsforschung auch verwendet, um Umwelteinflüsse strikt von genetischen Einflüssen zu trennen, indem Merkmalsunterschiede eineiiger Zwillinge mit Umweltunterschieden dieser Zwillinge korreliert werden (Kontrollzwillingsdesign; Caspi et al., 2004). Dieser Ansatz vermeidet den typischen Fehler der Sozialisationsforschung, aus Korrelationen zw. Umwelt- und Persönlichkeitsmerkmalen auf Umwelteinflüsse zu schließen, denn die Umweltunterschiede können z. T. auf genetischen Unterschieden beruhen (Genom-Umwelt-Korrelation). Historisch war die Zwillingsforschung doppelt belastet. Zum einen führten in England, Frankreich und Dt. Fehlinterpretationen von Darwins Prinzip der natürlichen Selektion zur Eugenik bis hin zur nationalsozialistischen «Rassenhygiene» durch gezielte Tötung von insbes. Juden und psychiatrischen Pat., die als «genetisch minderwertig» angesehen wurden. Hierbei koexistierte eine seriöse empirische Forschung wie z. B. die Z. von Kurt Gottschaldt mit den rassehygienischen Arbeiten von Otmar von Verschuer bis hin zu den Verbrechen des KZ-Arztes Josef Mengele, der bei von Verschuer promoviert hatte. Zum anderen förderte ein Skandal um Publikationen des Briten Cyril L. Burt in den 1960er-Jahren, die vermutlich auf der Verfälschung oder gar Erfindung von Zwillingsdaten beruhten, den schlechten Ruf der Zwillingsforschung. Dieses Handicap wirkte sich aber langfristig günstig aus, da die Zwillingsforschung unter bes. Druck stand, solide Daten vorzulegen. Heute gehören ihre Ergebnisse zu den am besten replizierbaren Ergebnissen der Persönlichkeitsforschung.

Referenzen und vertiefende Literatur

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