Vorurteile

 

[engl. prejudice], [SOZ], in der klassischen und bis heute am häufigsten zitierten Def. nach Allport (1954, S. 2) ist ein Vorurteil «eine Antipathie, die sich auf eine fehlerhafte und starre Verallgemeinerung gründet. Sie kann ausgedrückt oder auch nur gefühlt werden. Sie kann sich gegen eine Gruppe als ganze richten oder gegen ein Individuum, weil es Mitglied einer solchen Gruppe ist». Duckitt (1992) nennt vier Bestimmungsstücke von Vorurteilen: (1) Sie sind ein Intergruppenphänomen (Otten, 2006, Kessler & Mummendey, 2007, Stangor, 2009). Diese Perspektive weicht von der individualistisch geprägten Perspektive in der Def. von Allport deutlich ab. (2) Es sind i. d. R. neg. Orientierungen, wobei es durchaus pos. Stereotype und Vorurteile gibt. (3) Sie sind sozial geteilt, gleichzeitig aber nicht akzeptiert und sie sind (4) in den meisten Def.ansätzen extreme Formen von Einstellungen, denen eine vergleichbare affektive und kogn. Struktur zugeschrieben wird.

Historisierende Darstellungen der Vorurteilsforschung (Dovidio et al., 2010, Duckitt, 2010, Pettigrew, 2010, Fiske et al., 2009) sehen zum einen Veränderungen im Theorienarsenal, in der Methodik zur Erfassung von Vorurteilen aber auch in den Forschungsinhalten. Die theoretischen Ansätze haben insofern eine Veränderung durchlaufen, als dass Vorurteile weniger als pathologische Erscheinungsformen, sondern als beinahe unvermeidbare Strukturmerkmale unserer Person von genereller Bedeutung sind. Mechanismen wie illusorische Korrelationen oder aber die automatische Aktivierung von Vorurteilen, wenn wir jemandem begegnen, dem gegenüber es in unserer Gesellschaft massive Vorurteile gibt, aber auch die generelle Zugehörigkeit einer Person zu einer Fremdgruppe setzen Vorurteile frei.

Die Theorie der autoritären Persönlichkeit in ihren neuen Varianten sieht Autoritarismus nicht mehr als patholog. Struktur, sondern als Gruppenphänomen und die Theorie der sozialen Dominanz macht strukturelle Merkmale der Gesellschaft und Persönlichkeitsmerkmale für die Entstehung und Konservierung, aber auch die Veränderung von Vorurteilen verantwortlich. Neben dieser stärkeren Verknüpfung von Vorurteilen mit Intergruppenbeziehungen gibt es einen weiteren Trend, der für die stärkere Einbeziehung neurowiss. Positionen plädiert. Zudem sollte stärker als bisher die Wirkung von Vorurteilen auf die Betroffenen untersucht werden. Stereotype Threat, die Bedrohung der Minoritäten durch Vorurteile hat gravierende Konsequenzen für den Selbstwert und die Leistungsbereitschaft von Minoritäten.

Einen Überblick über die Erfassung von Vorurteilen liefern Correll et al. (2010). Neben den sog. direkten Maßen, die fast ausschließlich Fragebögen beinhalten und zu denen auch ein Verfahren zählt, das von Pettigrew und Meertens (1995) eingeführt wird und in der Lage ist, neben den offensichtlichen (blatant) auch subtilere (subtle) Formen von Vorurteilen zu erfassen, gibt es seit einigen Jahren sog. indirekte Verfahren. Die bekannteste Verfahrensform sind die sog. Impliziten Assoziationstests (Impliziter Assoziationstest (IAT)), bei denen die Reaktionszeit als Indikator für die Ausprägung eines Vorurteils gewertet wird. Je schneller z. B. bei der Darbietung auf einem PC-Bildschirm eine Minoritätengruppe mit einem Adjektiv per Tastenklick verbunden wird desto eindeutiger wird dieses Merkmal mit der Minorität verbunden. Die Veränderung der inhaltlichen Thematik (Nelson, 2009, Dovidio et al., 2010) zeigt sich nicht zuletzt in Langzeitstudien und kulturvergleichenden Studien. Bspw. untersuchte die Studie des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung; Heitmeyer, 2002-2012), in der über 10 Jahre von 2002 bis 2012 pro Jahr. 2000 Personen befragt wurden, insges. 12 Formen von Stereotypen und Vorurteilen, die das Syndrom der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ausmachen, wie z. B. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Abwertung von Asylbewerber, Sexismus. Es zeigten sich für beinahe sämtliche Vorurteile und Stereotype höhere Werte für Personen mit geringem Einkommen und für Personen, die älter als 66 Jahren waren. Ab 2008 – dem Zeitpunkt der Finanzkrise – stiegen auch die Werte für Personen an, die ein höheres Einkommen (ab ca. 2600 Euro) haben.

Es gibt ein ganzes Arsenal an Strategien zur Änderung von Vorurteilen (Brown, 2010, Nelson, 2009, Dovidio et al., 2010), wie z. B. Strategien persuasiver Kommunikation (inkl. Filme, Anzeigenspots, Appelle und gezielten Informationen; Einstellungsänderung), Lehr-Lernprogramme in mehrteiligen Unterichtsprogrammen, Rollenspiele, um Perspektivenübernahme zu erlernen, Kontaktprogramme, Veränderung der sozioökonomischen Bedingungen, Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen und Soz. Protestbewegungen, um nur einige zu nennen. Einige der wirksamsten Interventionen sind Kontaktprogramme. Diese bereits von Allport (1954) propagierte Änderungsstrategie, als Kontakthypothese bez., hat sich durch die Ergebnisse einer großangelegten Metaanalyse von Pettigrew und Tropp (2006) (mit 515 Studien aus 38 Nationen und insges. 250089 getesteten Personen) bestätigt. Hierbei ergab sich eine mittlere Korrelation von r = -,21 zw. der Teilnahme an Kontaktprogrammen und dem Ausmaß an Vorurteilen.

Nach wie vor gelten als favorisierte inhaltliche Themenkomplexe der Vorurteile: Gender, Age and Race. Mit Age ist nicht nur das kalendarische Alter gekennzeichnet, sondern die durchaus ambivalente Klassifikation von Personen im höheren Erwachsenenalter. Die neg. Einschätzung älterer Arbeitnehmer, die pos. Beurteilung von Großmüttern und Großvätern sowie ehemaliger Politiker zeigt dann doch die Mehrdimensionlität dieses Vorurteils. Race ist schon lange kein Konzept der Sozialps. mehr und auch die immer noch sog. unterschiedlichen Formen des Rassismus meinen mehr denn je kulturale oder ethnische Unterschiede.

Referenzen und vertiefende Literatur

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