Verantwortungsreife, strafrechtliche

 

[engl. mature responsibility, penal], [RF], Begriff des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), der das Alter in den strafrechtlichen Regelungen berücksichtigt. Die Entwicklung zum voll verantwortlich handelnden und deswegen dafür zur Verantwortung gezogenen Erwachsenen wird auch durch strafgesetzliche Regelungen berücksichtigt. Einerseits durch die strafrechtlichen Altersgrenzen zum vollendeten 14. (§ 19 Strafgesetzbuch, STGB, zur Schuldunfähigkeit der noch nicht 14-Jährigen), 18. und 21. Lebensjahr (§§ 3 und 105 JGG), andererseits durch die Bedingungsstrukturen dieser Regelungen des JGG. Die mit Beweislast beim Ankläger bestehenden Bedingungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der noch nicht 18-Jährigen nach der Vollendung des 14. Lebensjahres sind gemäß § 3 (1) JGG, dass der Jugendliche «zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug» (Voraussetzung) war, «das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln» (nachzuweisende Leistungsfähigkeit). Die i. Ggs. zu § 3 (1) JGG in hohem Ausmaß angewendeten Vorschriften des JGG auf die Heranwachsenden der Altersgruppen 18, 19 und 20 Jahre sind nach § 105 JGG möglich, wenn «die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung» handelte. Die Ausnahmeregelungen nach §§ 20, 21 StGB (Schuldfähigkeit) gelten davon unabhängig neben §§ 3 und 105 JGG auch für Jugendliche und Heranwachsende.

Der Entwicklungsstand des Jugendlichen darf bei der Sanktionsfindung nicht auf die beiden Reifungsaspekte des § 3 (1) JGG eingeschränkt werden. Gemäß § 43 (2) JGG ist eine Untersuchung des Beschuldigten soweit erforderlich auch auf andere für das Verfahren wesentliche Eigenschaften vorzunehmen. Dazu zählen u. a. Erziehungsmängel, für eine Erziehung hinderliches Milieu, neg. Gruppenbeeinflussung, Autonomie des Jugendlichen, Ablösung vom Elternhaus, Fähigkeit zu einer verantwortlichen Beziehung, Unrechtstat in der Lebenswelt des Jugendlichen beheimatet.

Empir.-psychol. Hintergrund für de lege ferenda und de lege lata sind bio-psycho-soziale Ansätze theoret. und empir. Art. Eine vgl.weise direkte empir. Stützung für den Entwicklungstrend im Zusammenhang von geistiger und sittlicher Reife mit der erforderlichen Unrechtseinsicht findet man in den Entwicklungsstufen des moralischen Urteilens nach Kohlberg (Moralpsychologie), wenngleich die meth. Erfassung durch das dortige Interview vermutlich die geistigen und sittlichen Fähigkeiten eines Individuums unterschätzt. Empir. Stützung für die Reifung der Steuerungsfähigkeiten findet man in neuerer Zeit in morphol. und physiolog. Ansätzen der Gehirnentwicklung während der Pubertät. Ob die strafrechtlich relevante Entwicklung bis zum Alter von 21 Jahren zum Abschluss kommt, erscheint zweifelhaft. Deliktshaftung.

Referenzen und vertiefende Literatur

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