soziale Kognition, Entwicklung

 

[engl. social cognition, development], [EW, KOG, SOZ]soziale Kognition hat Personen und andere potenzielle Akteure (Tiere, künstliche Akteure etc.) und deren Gedanken, Gefühle und Handlungen zum Gegenstand sowie größere soziale Gebilde wie Gruppen, Gesellschaften. Versch. Teilformen der sozialen Kognition werden unterschieden, je nachdem auf welche Art von Subjekt (Einzelperson, Gruppe etc.) sie sich beziehen bzw. auf welche Art von Zuständen, die den Subjekten zugeschrieben werden (Gefühle, Gedanken etc.). Zwei Formen der sozialen Kognition sind in den letzten Jahrzehnten aus entwicklungspsychol. Perspektive bes. gut erforscht worden.

(1) Empathie bez. die Fähigkeit der Einfühlung in andere und des Mitfühlens mit anderen. Als solche scheint sie eine einzigartig menschliche Fähigkeit zu sein, die sich bereits früh in der Ontogenese herausbildet (spätestens ab dem zweiten Lebensjahr). Wenn z. B. kleine Kinder andere beobachten, die traurig sind oder unter Schmerzen leiden, zeigen sie oft spontan Mitgefühl und versuchen, die andere Person zu trösten und ihr zu helfen. In der nachfolg. Entwicklung differenziert sich das Einfühlungsvermögen aus, sodass Kinder auch als Reaktion auf diverse und fein abgestimmte Emotionen mit Mitgefühl reagieren und auch dann, wenn die andere Person und ihr Gefühlsausdruck nicht direkt beobachtbar sind (wenn sie etwa nur hören, dass jemandem ein Zahn gezogen wird). Außerdem wird das Mitgefühl nun flexibler, kontextspezif. und moderiert von anderen kognitiven Einstellungen. Z. B. empfinden viele Erwachsene dann weniger Mitgefühl mit den Schmerzen anderer, wenn sie diese als Resultat gerechtfertigter Strafe ansehen.

(2) Theory of Mind (ToM, mentalistische Alltagspsychologie) (Premack & Woodruff, 1978) bezeichnet das Begriffssystem, mit dem wir einander als rationale Akteure mit subj. mentalen Zuständen (Gedanken, Wünschen, Gefühlen, Absichten (Intention) etc.) beschreiben, verstehen und erklären. Einfache Formen der ToM entstehen bereits im ersten Lebensjahr. Spätestens gegen Ende des ersten Lebensjahres beginnen Kinder zu verstehen, dass andere Personen Objekte und Sachverhalte wahrnehmen, und zwar nicht notwendigerweise immer dieselben wie sie selbst («Ich sehe was, das du nicht siehst» und umgekehrt – sog. Ebene-1-Perspektivwechsel). Ferner verstehen sie, dass andere absichtliche Handlungen ausführen und nicht nur bloße Verhaltensweisen (Verhalten). Ein zentraler Meilenstein in der Entwicklung der ToM findet sich um vier Jahre herum. Kinder beginnen dann zu verstehen, dass Personen die Welt subj. repräsentieren (Repräsentation) und u. U. miss-repräsentieren, also falschen Überzeugungen unterliegen, denen gemäß sie handeln. Das ermöglicht in der Nachfolge das aktive Herbeiführen von falschen Überzeugungen bei anderen: das Lügen. Kinder verstehen nun außerdem, dass andere und sie selbst je nach Perspektive ein und denselben Gegenstand unterschiedlich wahrnehmen können (z. B. «von hier aus sieht es aus wie eine 6, von dort aus aber wie eine 9» – sog. Ebene-2-Perspektivwechsel).

In der nachfolgenden Entwicklung entstehen komplexere und höherstufige Formen der Zuschreibung von mentalen Zuständen («Sie denkt, dass er weiß, dass ich will, dass er …»), die für unser soziales Leben als Erwachsene im Alltag allgegenwärtig und unabdingbar sind. Neuere Forschung zur ToM-Entwicklung über die Lebensspanne deutet darauf hin, dass es im höheren Alter zu leichten Einbußen von ToM-Fähigkeiten kommt. Ältere sind etwa langsamer, ungenauer und fehleranfälliger in manchen Bereichen der Perspektivübernahme und bei der Interpretation von emot. Gesichtsausdrücken. Noch ist jedoch unklar, ob diese Einbußen spezif. Einbußen in sozialer Kognition sind oder ob sie nicht vielleicht nur allg. kogn. Defizite in der sog. fluiden Intelligenz (Intelligenz, kristalline und fluide, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, exekutive Funktionen etc.) widerspiegeln, die sich in versch. Bereichen äußern.

Referenzen und vertiefende Literatur

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