Sorgerecht, Herausgabe eines Kindes

 

[engl. custody Sorgerecht], [RF], Herausgabe eines Kindes betrifft das Recht, die Herausgabe von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält (§ 1632 Abs. 1 BGB), und ist Bestandteil der Personensorge. Der «klassische» Herausgabekonflikt findet zw. Eltern und Pflegeeltern statt, aber auch der Wechsel der Pflegeeltern oder der Wechsel von der Pflege- in die Adoptionsfamilie wird als Konfliktkonstellation i. R. des §1632 BGB entschieden. Nach § 1632 Abs. 1 BGB gilt: Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde (Verbleibensanordnung). Der Herausgabe von Eltern ist gemeinsam oder von einem Elternteil mit Einverständnis des anderen geltend zu machen, sofern beide sorgeberechtigt sind. Die Herausgabe steht nur dem Elternteil zu, der das Sorgerecht oder mind. das Aufenthaltsbestimmungsrecht besitzt. Dies gilt auch, wenn sich Eltern getrennt haben, ohne eine gemeinsame Entscheidung über den Lebensmittelpunkt des Kindes getroffen zu haben. Auch hier kann das Familiengericht (Familienrechtspsychologie) anordnen, dass das Kind bei einem Elternteil verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde (§ 1632 BGB). Aus diesen Regelungen ist erkennbar, dass das Kindeswohl Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines Herausgabeverlangens ist. Wesentliche Ziele sind, kindeswohldienliche Beziehungen und Bindungen (Bindung) nicht zu zerstören, sondern zu erhalten und den Wechsel in kindeswohlgefährdende Erziehungsbedingungen (Erziehung) zu vermeiden. Weil diese Gefährdungsmöglichkeiten schwer zu beurteilen sind, bedarf es nach inzw. gefestigter Rechtsprechung der Einholung eines psychol. Sachverständigengutachtens (Peschel-Gutzeit, 2004). Dabei ist die Beurteilung zugespitzt auf die Dialektik von Bindung und Trennung bzw. von Bindungsbedürfnis und Trennungsangst. Deshalb sind Bindungstheorie und Stresstheorien (Stress) relevant. Vor allem wenn die Herausgabe eine Trennung von Bindungspersonen bedeutet, wird sie zu einem Risikofaktor. Aber auch das Verbleiben kann gefährdend sein, weshalb es legitim sein kann, Trennung zu veranlassen. Es ist also abzuwägen, ob die Herausgabe oder das Verbleiben das geringere Schadensrisiko für das Kind darstellt. Die Fragestellung lautet deshalb: Gefährdet die Herausgabe oder der Verbleib des Kindes mit größerer Wahrscheinlichkeit das Wohl des Kindes?

Der Fragealgorithmus muss dem gerecht werden. Beim klassischen Herausgabeverlangen leiblicher Eltern gegenüber Pflegeeltern z. B. steht am Beginn die Frage nach den Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern. Deshalb sind Herausgabeverlangen umso genauer zu prüfen, je länger ein Kind bei ihnen gelebt hat. Der Gesetzgeber nennt als Indikator, ob «das Kind seit längerer Zeit» in Familienpflege lebt (§1632 Abs. 4 BGB; analog §1682 BGB). Bestehen Bindungen, ist faktische oder soziale Elternschaft gegeben. Der Kindeswille ist dann im Normalfall adäquat. Gegen den Willen des Kindes wird nur bei Schutzbedarf entschieden. Selbstgefährdender Kindeswille kann aber gegeben sein, wenn z. B. erziehungsunfähige Eltern ein Kind beeinflussen zurückzukehren, ferner wenn ein Kind aus Angstbindungen (Angst) und Schuldgefühlen heraus Beziehungspersonen und Beziehungen fehlrezipiert. Die nächste Frage gilt der erzieherischen Eignung der Pflegeeltern. Dies ist mehr logisch folgerichtig als psychol. zwingend, denn der gelungene Bindungsaufbau involviert meist die Eignung. Wenn keine Bindungen zu Pflegeeltern bestehen, ist zunächst zu fragen, ob zu anderen Personen Bindungen bestehen und der Wille des Kindes darauf ausgerichtet ist, bei ihnen zu leben. Trifft dies in Bezug auf die herausgabefordernden Eltern zu, ist deren Eignung zu prüfen. Diese Konstellation dürfte am häufigsten dann eintreten, wenn i. R. zeitlich begrenzter Familienpflege Bindungen zu den Pflegeeltern nicht angezielt waren oder nicht entstehen konnten, Bindungen zu den leiblichen Eltern aber noch erhalten sind. Spez. Begutachtungsprobleme sind Vorschädigung eines Kindes, seine Rezeption der Herausgabesituation sowie seine Stressresistenz, ferner das Verhältnis zwischen dem meist unangemessenen Zeitverbrauch für Entscheidungen und dem spezif. Zeitempfinden von Kindern.

Referenzen und vertiefende Literatur

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