Schmerz

 

[engl. pain], [BIO, GES], unangenehme sensorische Erfahrung, die in vielen Qualitäten gegeben sein kann (z. B. stechend, ziehend, spitz, dumpf, brennend, juckend). Tritt auf bei Verletzung der Körperoberfläche (Nozirezeptoren, Schmerzpunkte), bei Reizung innerer Organe als Tiefenschmerz, meist dumpf ziehend und weit ausstrahlend (erschwert die Diagnostik eines entzündeten Organs), ferner bei überstarker Reizung eines Rezeptors (Schmerzschwelle bei überlauten Tönen). Für die Schmerzentstehung werden einige adaptationsfähige Rezeptoren und zugehörige neurale Systeme angenommen. Oberflächens. lässt sich durch gleichzeitige andere Reize hemmen (z. B. Vibration, Schlenkern eines verletzten Fingers). Die Empfindlichkeit für Schmerz ist interpersonal und situationsabhängig (Aufmerksamkeitszuwendung, Schockzustand) sehr verschieden. Neben Schmerz aufgrund von Verletzungen gibt es vermutlich neurohumoral ausgelöste wie z. B. allergische Schmerzen. Zentral ausgelöste Schmerzen sind die z. T. extremen Phantomschmerzen, die an Stellen amputierter Gliedmaßen auftreten können. I.ü.S. spricht man von Schmerz bei unlustgetönten Stimmungen (seelischer S., Welts.; Geldard, 1972, Sauerbruch & Wenke, 1936).

Schmerz gilt im med. Krankheitsmodell als Signal für körperliche Schädigung. Klinisch-psychol. Erkenntnisse konzentrieren sich auf die Abhängigkeit der Schmerzerfahrung von subjektiv-psychol. Bewertungskategorien (Erfahrung, Erinnerungsvermögen, Kulturkreis). Die Schmerzreaktion wird nach Fordyce (1976) in einem trimodalen Modell operationalisiert. (1) Offenes Schmerzverhalten: Klagen über Schmerzen, nonverbales Schmerzverhalten (Mimik, Gestik); (2) verdecktes Schmerzverhalten: Gedanken, Gefühle, Vorstellungen; (3) physiol. Schmerzreaktion: Veränderungen kardiovaskulärer Parameter, Atmung, Muskelspannung etc. Verhaltensanalyt. kann respondentes und operantes Schmerzverhalten unterschieden werden. Respondent: körperschädigende Reize rufen Schmerzen hervor; operant: neg. und pos. Konsequenzen kontrollieren Schmerz (Larbig, 1980, 1982; Konditionierung, operante). Wesentlichen Einfluss auf Neurophysiologie und Psychotherapie des Schmerzes hat die Gate-Control-Therapie von Melzack (1978). In den Hinterhörnern des Rückenmarks wird das gate (Tor, Schleuse) durch den spinalen «Tormechanismus» modifiziert. Der spinale Gate-Mechanismus steht unter der zentralen Kontrolle kognitiver Prozesse (central control trigger), die über dicke, schnellleitende Fasern aktiviert, efferent die Nervenübertragung in den Hinterhörnern regulieren (Nervensystem). Die Melzack’sche Schmerztheorie bietet viele Erklärungsmöglichkeiten für die Wirkungsmechanismen verschiedener Schmerztherapien (Akupunktur, transkutane Nervenstimulation, Hypnose, kognitive und operante Verfahren). Nach Befunden der biochem. Forschung spielen v. a. das Endorphinsystem, Substanz P, Prostaglandine und andere Neurotransmitter bei der Schmerzübertragung eine wesentliche Rolle.

Wegen der Verbreitung von Schmerz, der starken Lebensqualitätsbeeinträchtigung durch chronischen Schmerz und der beschränkten Möglichkeiten somatischer Therapie bei einigen Schmerzformen sind hier weitere therapeutische Ansätze von großer Bedeutung. Gute Wirkung zeigt Biofeedback an den relevanten Muskeln bei Kopf- und Rückenschmerzen, allerdings nur, wenn die gelernte Muskelentspannung dauerhaft weitergeübt wird. Eine vergleichbare Wirkung hat die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, bei der das Weiterüben leichter durchführbar ist, da keine Apparate gebraucht werden. Gute und dauerhafte Besserung wurde auch unter Hypnose erzielt. Auch operante Schmerzbehandlungen, die der Förderung von Aktivität und dem Aufgeben von Schmerz- und Schonverhalten dienen, haben sich als effektiv erwiesen. Ein wichtiger Wirkfaktor dürfte das Erleben sein, dem Schmerz nicht ohne Kontrolle ausgeliefert zu sein. Ergebnisse, die zeigen, dass bei starker Zuwendung von Pat. und Umgebung zum Schmerz dessen Repräsentation im Gehirn intensiviert wird, tragen zu einem besseren Verständnis des subj. Erlebens bei und sind bei typischen Disputen zwischen Behandler und Pat., ob ihr Schmerz «rein psychisch» sei, zu berücksichtigen. Neuralgie, neuralgischer Schmerz, Schmerz, neuropathischer.

Referenzen und vertiefende Literatur

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