Orientierungsreaktion

 

[engl. orientation reaction], [KOG], das sowohl auf physiol. wie auch auf Verhaltensebene komplexe Reaktionsmuster, das ein Organismus auf neue, unerwartete Umweltreize zeigt und das einen Zustand gesteigerter Aufmerksamkeit beinhaltet, was Pawlow (1927) als Orientierungsreflex bezeichnet. Werden aber ehemals neue Reize wiederholt dargeboten, so verringert sich die Reaktionsstärke sehr bald, was als Habituation bezeichnet wird. Die Orientierungsreaktion stellt nach Sokolov (1963) einen integrierten Teil des komplexeren exploratorischen Verhaltens dar. Die wichtigsten Komponenten dieses vielfach (Sokolov) auch als Einheit angesehenen funktionellen Systems sind: (1) erhöhte Sensibilität, Absinken der Wahrnehmungsschwellen für auditive und visuelle Reize, Pupillenerweiterung, Erhöhung der Fähigkeit, zw. einander ähnlichen Reizen zu diskriminieren (Erhöhung der Verschmelzungsfrequenz in den sensorischen Systemen), (2) allg. Veränderungen der Muskulatur; momentan ablaufende Handlungen werden eingestellt, Steigerung des Muskeltonus und Erhöhung der elektrischen Aktivität der Muskeln, (3) spezif. Veränderungen der Skelettmuskulatur; je nach Organisationsstufe treten Muskeln in Tätigkeit, die die Sinnesorgane auf die Reizquelle ausrichten, (4) Veränderungen der elektrischen Hirnaktivität; EEG-Muster (Elektrodiagnostik, Enzephalographie) zeigen erhöhte Erregung, wobei schnelle Wellen mit niedriger Amplitude dominieren. Neben dieser diffusen Arousal-Reaktion zeigen sich auffallende Sekundärantworten (evozierte Potenziale) in versch. Gehirnabschnitten, (5) viszerale Veränderungen; Konstriktion der peripheren Blutgefäße und Dilatation der Blutgefäße in Kopf und Gehirn, Veränderung des Hautwiderstands (psychogalvanische Reaktion, PGR, EDA), Vertiefung und Verlangsamung der Atmung und gewöhnlich Herabsetzung der Herzfrequenz. Der Orientierungsreaktion kommt demnach eine zweifache Bedeutung zu: Die Sensibilität auf Informationsinput wird erhöht und der Körper gleichzeitig auf eine Notfallsituation vorbereitet. Bedingungen, die eine Orientierungsreaktion hervorrufen, sind: (1) neue oder komplexe Reize (Überraschung), (2) sich widersprechende Reize (z. B. Reize, die sich widersprechende Reaktionen erfordern), (3) signifikante (Signal-)Reize, die eine besondere Bedeutung für den Organismus haben (z. B. eigener Name), lösen im Ggs. zu dem Vorgenannten auch nach mehrfacher Wiederholung eine solche Reaktion aus. Bei den meisten Reizen gewöhnt sich (habituiert) der Organismus sowohl physiol. als auch psychol. an den Reiz (10 bis 30 Wiederholungen) und reagiert nicht mehr auf ihn. Eine geringe Veränderung des Reizes (z. B. Veränderung der Tonhöhe) ruft die Orientierungsreaktion sofort wieder in unverminderter Stärke hervor. Zur Interpretation hat Sokolov (1963) ein Modell vorgeschlagen, nach welchem im Gehirn ein neuronales Muster des Stimulus aufgebaut wird (innere Spur). Die Stärke der beobachtbaren Reaktion auf Neuheit (Nichtübereinstimmung mit der Spur) stellt demnach eine Funktion des Unterschiedes zw. dem Erregungsmuster des Synapsensystems und der Reizgestalt des Teststimulus dar. Im Fall von Neuheit wird die Formatio reticularis aktiviert, bei Bekanntheit hemmt der Hippocampus die Formatio reticularis und reduziert weiteren sensorischen Input. Adaptation.

Referenzen und vertiefende Literatur

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