Organisation

 

[engl. organisation; gr. ὄργανον (organon) Werkzeug], [AO], der Begriff der Organisation ist mehrdeutig und über seine Def. gibt es sehr kontroverse Auffassungen. In der dt. Betriebswirtschaftslehre herrschte lange ein instrumenteller Organisationsbegriff vor (Schreyögg, 2006). Danach dient die Organisation der Rationalisierung der Arbeitsabläufe durch organisationale Regelungen, die sich als Ergebnis in einer effizienten Organisation zeigen. Ein bekannter Vertreter ist Kosiol (1962). In seiner gestaltungsorientierten Organisationslehre stützt er sich auf Grundlagen der klassischen Theorie der idealen bürokratischen Organisation von Max Weber (1922). Kosiol analysiert und zerlegt die Aufgaben eines Betriebs und ordnet sie einer nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit gestalteten Aufbauorganisation (im Kern als hierarchisch strukturiertes Stellen- und Abteilungssystem) und Ablauforganisation (Arbeitsverteilung und raumzeitliche Gestaltung der Prozesse) zu.

In der Organisationspsychologie werden Organisationen i. Allg. als soziale Institutionen oder soziale Systeme betrachtet. Der Begriff der Organisation wurde hier seit den 1960er-Jahren zunehmend als Oberbegriff für Industriebetriebe, Behörden, Schulen oder Krankenhäuser und andere soziale Institutionen verwendet und löste dadurch den engeren Begriff des Betriebs der Betriebspsychologie ab. Bass & Deep (1972) haben die Organisation vereinfachend als offene Systeme zur Transformation von Menschen, Geld und Material beschrieben. Gebert (1978) hebt als Bestimmungsmerkmale hervor, dass eine Organisation als offenes System gegenüber ihrer Umwelt eine zeitlich überdauernde Existenz aufweist, spezif. Ziele verfolgt und aus Individuen bzw. Gruppen zus.gesetzt ist, wobei eine best. Struktur (Arbeitsteilung, Hierarchie von Verantwortung etc.) existiert (s. bereits March & Simon, 1958). Allgemeiner und mit Bezügen zum betriebswirtschaftlichen Aufgabenbegriff kann eine Organisation auch als System von Menschen, Aufgaben und Regeln definiert werden (Greif, 1994a). Während Aufgaben beschreiben, was getan werden soll, zeigen Regeln, wie dies geschehen soll (bspw. durch Qualitätskriterien, Verhaltensstandards oder Heurismen). Der Begriff der Organisation umfasst hier – umfassender als bei Kosiol (1962) – die konkrete Planung, Koordination und Kooperation, Selbst- oder Fremdsteuerung und -kontrolle von Arbeitstätigkeiten und daneben auch die Arbeitsteilung und alle Formen der Formulierung, Kommunikation und Interpretation von arbeitsbezogenen Aufgaben und Regeln, Wissen und Erfahrungen durch Sprache und nicht sprachliche Medien.

Nach der konstruktivistischen Organisationstheorie von Weick (1969) interpretieren Organisationen und ihre Mitglieder ihre Umwelt an Sinn- und Deutungsmustern des eigenen Handelns und konstruieren die «Realitäten» sinnstiftend, damit die organisationale Identität erhalten bleibt. Nach seiner provokanten These sind Menschen in Organisationen grundsätzlich nicht in der Lage, zielgerichtet zu handeln und Probleme zu lösen. Sie rechtfertigen ihr Handeln lediglich nachträglich als zielgerichtet und rational geplant.

In Dt. wurde eine radikal-konstruktivistische neuere Systemtheorie der Organisationen durch den Soziologen Luhmann (1984) begründet. Sie wurde von vielen Vertretern in der Soziologie und theorieorientierten Betriebswirtschaftslehre (Schreyögg, 2006) sowie in der Organisationsps. von Neuberger (1991) als Grundlage herangezogen. Kern von Luhmanns Organisationsbegriff ist eine Übertragung seines der neueren Biologie entlehnten Konzepts der Selbstreproduktion von Lebewesen, Autopoiese [gr. selbst schaffen], auf soziale Systeme. Organisationen zeichnen sich danach dadurch aus, dass sie ihre Elemente selbst erzeugen und dadurch die Einheit und Besonderheit des Systems reproduzieren. Diese Selbsterzeugung der Elemente durch die Elemente wird auch als «selbstreferenzielle Reproduktion» bez. Nun werden Menschen nicht durch die Organisationen hergestellt. Nach Luhmanns Übertragung des Autopoiese-Konzepts auf soziale Systeme können deshalb Menschen und ihre Merkmale (z. B. ihre Motivation) grundsätzlich keine Elemente sozialer Systeme sein. Menschen gehören aus seiner Sicht zur «systeminternen Umwelt» der Organisationen. Die Elemente sozialer Systeme sind Kommunikationen, die wiederum durch Kommunikationen reproduziert werden. Der Organisationspsychologe Neuberger (1991b)  versteht das soziale System einer Organisation dementsprechend allg. als «Ordnung der Verhältnisse».

Die neuere Systemtheorie betont die Bedeutung informeller Kommunikationen. Sie ermöglichen schnelle Verständigungen und befriedigen Zugehörigkeitsbedürfnisse. Dadurch und indem durch sie Schwächen der formalen Regelungen kompensiert werden können, dienen sie der Stabilisierung des Systems. Eine radikale Selbstorganisationstheorie der Organisation auf dieser Grundlage hat Probst (1987) publiziert (Selbstorganisation). Danach kann man eine Organisation nicht direktiv steuern, sondern nur indirekt beeinflussen. Die radikale Ablehnung jeder Form zielgerichtet geplanter Beeinflussbarkeit und die Abstraktion von konkreten Menschen macht es schwer, aus diesen Systemtheorien praktische Maßnahmen für die Gestaltung und Veränderung von Prozessen in Organisationen abzuleiten, und kann nicht erklären, wieso nach zielgerichtet geplanten und durchgeführten Maßnahmen (Veränderungsmanagement, Zielvereinbarungsgespräche) messbare wirtschaftliche und soziale Verbesserungen erreicht werden können (Greif et al., 2004).

Eine alternative Grundlage für eine Selbstorganisationstheorie der Organisation liefert die naturwiss. orientierte Synergetik (Haken, 1981, Kriz, 1992). Als «Lehre vom Zusammenwirken» oder «kooperativen Verhalten» der Komponenten und Prozesse in physikalischen, biol. und sozialen Systemen analysiert sie die Bedingungen, Ordnungsparameter und Selbstorganisationsprozesse im System, durch die sich aus ungeordneten Zuständen geordnete Prozesse und Strukturen entwickeln oder aus strukturellen Ordnungen nach instabilen Phasen neue Selbstordnungen bilden können (Kriz, 1992). Sie unterscheidet zw. stabilen und geordneten Phasen mit hoher Vorhersehbarkeit der Prozesse und chaotisch ungeordneten, nicht vorhersehbaren Prozessen, wobei sich die Ordnungen jew. zw. den Mikro- und Makroebenen unterscheiden können. Die synergetische Theorie erklärt allg., wie eine ineffiziente Organisation durch eine für die Veränderung grundlegende chaotische Übergangsphase in eine radikal neue, stabile Selbstordnung einmünden kann.

Greif et al. (2004) def. auf der Grundlage eines synergetischen Verständnisses eine Organisation als ein sich selbst organisierendes System, in dem Menschen nach expliziten und impliziten Regeln Aufgaben und Probleme zugewiesen werden. Der verwendete allg. Begriff der Selbstorganisation umfasst dabei sowohl zielgerichtet geplante als auch spontane und nicht vorhersehbare Prozesse in der Organisation. Der Begriff der Aufgabe, auf den in der Def. Bezug genommen wird, subsumiert sowohl bewusst geplantes, zielgerichtetes als auch spontanes Handeln als auch Aufträge, die nicht den vorausgeplanten Zielen der Organisation entsprechen. Probleme stellen im Unterschied zu Aufgaben Denkanforderungen, weil ihre Lösung nicht bekannt und vorgegeben ist (Innovationen in Organisationen). Die Zuweisung eines Problems an eine Person, das nicht gelöst wurde und zukünftig nicht lösbar erscheint, kann auch die Funktion einer Schuldzuweisung für Misserfolge haben. In der zuletzt genannten Def. werden Strukturen wie Hierarchie und Aufgabenteilung nicht bes. hervorgehoben, da sie kein Spezifikum von Unternehmen und anderen Organisationen sind, sondern in jeder Gruppe, insbes. Arbeitsgruppe und sogar in Familienkostellationen zu beobachten sind. Unternehmensvisionen.

Referenzen und vertiefende Literatur

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