Interkulturelle Psychologie

 

[engl. intercultural psychology], [PER, SOZ], der Begriff der Kultur spielte schon zu Beginn der modernen Ps., beginnend mit Wundt, eine Rolle, zunächst unter der zeitbedingten Bez. Völkerpsychologie. Viele der hier bearbeiteten psychol. Themen wurden später unter den Bez. Kulturpsychologie und Kulturvergleichende Psychologie aufgegriffen. Mit der Internationalisierung und Globalisierung nahezu aller Bereiche unserer Gesellschaft kam zum Zugang der Ps. zur Kultur eine weitere Schwerpunktsetzung hinzu, nämlich die interkulturelle Psychologie. Die interkulturelle Psychologie befasst sich mit der Analyse psych. Prozesse, ihren Bedingungen, Vorzügen und Resultaten beim Aufeinandertreffen von Menschen aus versch. Kulturen. Sie fasst Kultur als ein Bedeutungs- und Symbolsystem auf, das einen sinnhaft strukturierten Bereich des Eigenen ausbildet, aus dem der Handelnde Orientierung gewinnen kann. Daraus bildet sich aber gleichzeitig auch ein Bereich des Fremden aus, insbes. in der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen, was Irritationen und Desorientierung auslösen kann.

Die grundlagenwiss. orientierte interkulturelle Psychologie analysiert die psych. Bedingungen, Verlaufsprozesse und Wirkungen des Aufeinandertreffens kult. Orientierungssysteme in der interpersonalen Begegnung. Eine zentrale Aufgabe der interkulturellen Psychologie besteht hier darin, die psychol. relevanten Bedingungen, Verlaufsprozesse und Wirkungen menschlichen Erlebens und Verhaltens in Sonder- und Grenzsituationen zu analysieren, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Menschen aus versch. Kulturen einander begegnen, miteinander kommunizieren, füreinander bedeutsam werden und miteinander kooperieren. Analysiert werden dabei die verhaltenssteuernden ps. relevanten Prozesse wie bspw. Wahrnehmungsvorgänge, Informationsverarbeitungs-, Bewertungs- und Urteilsprozesse, Attributionen (Attribuierung), Emotionen, Handlungsintentionen, -pläne und -vollzüge (Handlungsplanung) in ihren jew. kulturspezif. Einflüssen auf interpersonale Begegnungen und Erfahrungsbildungen in interkult. Situationen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich in der interkult. interpersonalen Begegnung dadurch, dass die eigenen kulturspezif. Orientierungssysteme, die Wahrnehmen, Denken, Emotionen und Handlungen steuern, i. d. R. nicht mehr bewusst gemacht werden. Die kulturspezif., Erleben und Handeln steuernden Determinanten sind so verinnerlicht und haben sich im Alltagsleben und in der beruflichen Tätigkeit immer wieder als stimmig und nützlich erwiesen, dass sie dem Handelnden als Selbstverständlichkeiten erscheinen. Sie werden erst dann infrage gestellt, wenn es in der Interaktion mit einem nicht in der eigenen Kultur sozialisierten Partner zu erwartungswidrigen Verhaltensreaktionen kommt, die sich nicht einfach mehr als Verhaltensdefizit seitens des Partners interpretieren lassen. Daraus ergibt sich eine in ihrer Tragweite nicht zu unterschätzende Anforderung: Die eigenen kult. Arten des Wahrnehmens, Denkens, Erlebens und Verhaltens müssen thematisiert und reflektiert sowie als etwas sehr Spezif., als eine mögliche «Spielart» menschlichen Verhaltens neben anderen erkannt und verstanden werden. Hinzu kommt als weitere Anforderung, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Menschen aus anderen Kulturen, aus anderen kult., religiösen und sozialen Traditionen, aus anderen Wert-, Rechts- und Wirtschaftstraditionen andere Formen des Wahrnehmens, Urteilens, Empfindens und Handelns gebildet haben. Diese Menschen sind über viele Generationen hinweg unter anderen geografischen, klimatischen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kult. Umfeldbedingungen aufgewachsen. Sie haben andere Werte, Normen (Normen, soziale), Traditionen, Überlebensstrategien und Formen der Problembewältigung entwickelt und ebenfalls so verinnerlicht, dass sie zur nicht mehr infrage zu stellenden Selbstverständlichkeit geworden sind.

Die anwendungswiss. orientierte interkulturelle Psychologie konzentriert sich auf die Analyse der Schwierigkeiten, die an der Schnittstelle zw. dem verinnerlichten Eigenem und dem noch unbekannten und irritierenden Fremdem in der Interaktion zw. Menschen unterschiedlicher Kulturen entstehen, sowie auf die Entwicklung und Überprüfung geeigneter Problemlösungsmethoden. Sie unterstellt dabei, dass in kulturellen Überschneidungssituationen über den Prozess der Selbstreflexivität eigenkulturelle Werte, Normen und Standards bewusst werden, fremdkult. erkannt werden und über eine gegenseitige Wertschätzung kult. Unterschiede eine Annäherung, Verständigung, Synthese oder gar Formen von Synergie zw. den Kulturen entwickelt werden können. Um dies zu erreichen, bedarf es aber fundierter Erkenntnisse über die in kult. Überschneidungssituationen ablaufenden Prozesse und erprobte, wirksame und zielgruppenspezifische Lehr-, Lern-, Beratungs-, Trainings- und Coaching-Verfahren (interkulturelles Training).

Fach- und Führungskräfte werden in zunehmendem Maße mit interkult. Herausforderungen konfrontiert, zu deren Bewältigung zielgruppenspezif. psychol. Analysen und entspr. Bewältigungsstrategien erforderlich sind (interkulturelles Management). Hieraus ergeben sich für die interkulturelle Psychologie i. R. ihrer grundlagenspezifischen und anwendungsorientierten Forschung sowie der psychol. Praxis vielfältige Aufgaben. Die wichtigsten Tätigkeits- und Aufgabenfelder sind: (1) langjährige Auslandsentsendungen mit und ohne Familienbegleitung; (2) kurzfristig in wechselnden Standorten weltweit eingesetztes Personal; (3) Personalverantwortliche in Unternehmen; (4) Fachkräfte im Bereich internat. Kooperationen (Merger & Acquisition); (5) Fachkräfte für Marketing, Werbung und Kundenbetreuung in internat. Unternehmen; (6) Leitung internat. Arbeitsteams und Projektgruppen; (7) Fachkräfte in internat. tätigen Organisationen (Gewerkschaften, Berufsverbände, Kirchen, Sport etc.); (8) Entwicklungszusammenarbeit; (9) Polizei, Sicherheitsdienste, Militär; (10) Kommunal-, Landes-, Bundespolitik und Behörden; (11) diplomatischer Dienst; (12) Migrations- und Integrationsfachkräfte; (13) Gesundheitswesen (Fachkräfte in med., psychoth. und pflegerischen Bereichen); (14) Rechtswesen, Bildungswesen (formale/nonformale Bildung); (15) Wissenschaftler mit internat. Forschungskooperationen; (16) Fachkräfte im Bereich des internat. Schüler-, Jugend-, Praktikanten-, Studenten- und Fachkräfteaustauschs.

Referenzen und vertiefende Literatur

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