Humanethologie

 

[engl. human ethology], [EW, KOG, PER], ist ein Teilgebiet der Verhaltensforschung, Ethologie, das sich im Unterschied zur Ps. vornehmlich mit solchen menschlichen Verhaltensweisen befasst, die im Zusammenhang mit der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen stehen und erforscht insbes. solche Verhaltensweisen, die als angeb. gelten können, bzw. deren angeb. Grundlagen (Anlage-Umwelt, Verhaltensgenetik).

Dabei werden die in der Tierethologie (Ethologie) gewonnenen Methoden auch hier angewandt. Angeborene Verhaltensweisen können aus ethischen Gründen zumeist nur indirekt erschlossen werden; z. B. mithilfe des Kulturvergleichs (Kulturvergleichende Psychologie) oder durch Untersuchungen an «erfahrungsfreien» (taub-blind-geborenen) Kindern und Befunden bei verhaltensgeschädigten Menschen. Ziel der Humanethologie ist es, den Menschen seinem biol. Evolutionsstand entspr. zu verstehen und dieses Bild in die kult. Entwicklung zu integrieren. So bezieht die moderne Humanethologie sowohl die Ergebnisse der klassischen Ethologie, der Soziologie sowie der Lerntheorie mit ein (Eibl-Eibesfeld & Lorenz, 1974). Die Suche und Entdeckung von Verhaltensweisen des Menschen, die in unterschiedlichsten Kulturen in annähernd gleicher Ausprägung vorkommen, hat immer wieder temperamentvoll geführte Auseinandersetzungen provoziert. Denn sie widerspricht schon im Ansatz jenen zeitweise populären Anschauungen (Behaviorismus), denen zufolge der Mensch einzig und allein durch Erziehung (also durch Lernen) in seiner Entwicklung bestimmt werde. Inzwischen hat sich jedoch die Einsicht weithin durchgesetzt, dass angeborene (z. B. die typische Mimik und der Gesichtsausdruck beim Lächeln) und erlernte Verhaltensmuster gemeinsam das menschliche Verhalten bilden: Durch Erziehung und Kultur werden angeborene Grundlagen, die sozial und psychohygienisch vorteilhaft sind, z. T. verstärkt; andere dagegen, die das soziale Zusammenleben erschweren können, werden häufig kult. abgeschwächt oder ganz unterdrückt. Solche Interaktionen mit kult. Lernprozessen wurden von N. Tinbergen als Instinkt-Kulturverschränkungen bez.

Als angeborene Verhaltenskomponente konnte bei Neugeborenen bspw. nachgewiesen werden, dass sie ohne jede Vorerfahrung, die durch Lernen erklärbar wäre, spontan atmen, sich an dünnen Gegenständen (sogar an frei hängenden Wäscheleinen!) mit den Händen festklammern oder einen dargebotenen Finger umklammern. Bei taubblind geborenen Kindern konnte der Nachweis geführt werden, dass sie wie sehende und hörende Kinder lachen, weinen, erröten und die charakteristische Mimik des Verlegenseins beherrschen – auch diese Verhaltensweisen sind ohne Lernen im Verhaltensrepertoir des Menschen enthalten. Das Gleiche gilt für best. Formen der Gestik, bei der es sehr viele Übereinstimmungen bei Menschen versch. Kulturen gibt. So drücken sich übereinstimmend z. B. Hochmut und Verachtung in aufrechter Haltung, Anheben des Kopfes, in Rückwärtsbewegung, Blick von oben herab, geschlossener Mundspalte und Ausatmen durch die Nase aus, also durch ritualisierte Bewegungen der Abkehr und Abweisung. Als allg.gültige Geste der Ergebenheit erweist sich die Verbeugung, mit Unterschieden nur im Ausmaß.

Untersuchungen zum angeborenen Erkennen von best. Verhaltensäußerungen (spez.: der Mimik von anderen Personen) haben es sehr wahrscheinlich gemacht, dass Menschen best. Reizmerkmale (z. B. die relative Höhe der Nase im Verhältnis zu den Augen) ohne spez. Vorerfahrung in best. Weise interpretieren – und dass daher das Kamel als «hochmütig» eingeschätzt wird, weil es die Nase in Relation zu den Augen sehr weit oben am Kopf trägt.

Referenzen und vertiefende Literatur

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