Gewalt

 

[engl. violence], [RF, SOZ], abgeleitet von «walten»; bedeutet Macht oder das Recht, über Dinge und Menschen zu herrschen. Meistens wird Gewalt im Zusammenhang mit physischem und/oder psych. Zwang verwendet, durch den Menschen und Dinge einer fremden Herrschaft unterworfen und geschädigt werden. Gewalt kann von Individuen (Schläger), Kollektiven (Staaten), gesellschaftlichen Institutionen (Militär), sozialen Strukturen (Armut) oder Ideologien (Totalitarismus) ausgehen. Sie kann ein Dauerzustand (Polizeistaat), ein längerfristiges (Krieg) oder einmaliges Ereignis (Geiselnahme) sein. Gewalt kann physisch (sexuelle Vergewaltigung) und/oder psych. (Sexismus) ausgeübt werden, ordnend (Staatsgewalt) oder zerstörend (Terrorismus) sein, als legitim (Gewaltmonopol des Staates) oder illegitim (Diktatur) empfunden werden. Bis Mitte der 1970er-Jahre bezog sich der Gewaltbegriff meist auf direkte physische Gewalt.Galtung (1975) entwickelte das Konzept der strukturellen Gewalt. Sie liegt vor, wenn gesellschaftliche Strukturen wie ungleiche Güterverteilung oder Diskriminierung verhindern, dass Menschen sich ihren Fähigkeiten entspr. entwickeln können. Eine weitere Differenzierung ist die kulturelle Gewalt. Damit werden Ideologien bez., die direkte oder strukturelle Gewalt legitimieren wie Rassismus oder religiöser Fundamentalismus. Häufig werden die Begriffe Gewalt und Aggression synonym verwendet. Phänomene wie sexuelle Gewalt (Sexuelle Aggression), Gewalt in der Schule und in den Medien (Mediengewalt), Fremdenhass oder Krieg sind aber keine spontanen, einer inneren Triebquelle (Trieb) entspringende Reaktionen. Eine hohe Aggressivität kann Gewalthandlungen begünstigen, aber auch behindern (z. B. wird im Militär bei Soldaten hohe Aggressivität neg. bewertet). Gewalthandlungen entstehen in sozialen Situationen. Sie sind bedingt durch gesellschaftliche Strukturen, haben eine Geschichte (Historizität), beruhen auf mehr oder weniger bewussten Entscheidungen (Entscheiden) und können wie Kriege langfristig geplant sein. Im Unterschied zur Aggression, die zur biol. Ausstattung jedes höheren Lebewesens gehört, sind Gewalthandlungen keine Naturtatsache, sondern Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung. Entsprechend gibt es gewaltarme Kulturen und Kulturen, die auf Gewalt fußen. Die Einschätzung der Legitimität von Gewalt reicht vom erlaubten Mittel, um politische oder religiöse Ziele zu erreichen (Lehre vom gerechten Krieg) über mehrheitlich akzeptierte Gewalt (Gewaltmonopol des Staates) bis hin zur vollst. Ablehnung von Gewalt (Pazifismus). Die Bewertung von Gewalt hängt zum einen von indiv. Merkmalen wie Persönlichkeit, sozialem Status, religiösen und ideologischen Überzeugungen, zum anderen von den jew. gültigen gesellschaftlichen Normen (Normen, soziale) ab. Entsprechend unterschiedlich kann Gewalt zu best. Zeitpunkten bewertet werden. War bis Mitte des 20. Jhd. körperliche Züchtigung als Erziehungsmittel akzeptiert, so ist sie heute in einigen Ländern verboten. Auch die Einstellungen gegenüber kriegerischer Gewalt änderten sich in Dt. im Laufe des letzten Jhd. von der Verherrlichung des Krieges 1914 über die Ächtung von Kriegen nach 1945 bis hin zur partiellen Tolerierung militärischer Gewalt seit Ende des 20. Jhd. Gewalt ist eine Quelle der Macht. Kollektive Gewalt stiftet Identität (Sémelin, 2004). Häufig wird mit Gewalt versucht, Identitäts-, Kontroll- und Machtverlust zu kompensieren: Der Jugendliche, der sich als Versager fühlt, schließt sich einer gewalttätigen Bande an; eine Regierung versucht durch einen Krieg von inneren Problemen abzulenken; in gesellschaftlichen Umbruchssituationen wird Sicherheit und Identität in der kollektiven Gewalt (Bürgerkrieg, Massaker, Genozid) gesucht.

Referenzen und vertiefende Literatur

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