Friedenspsychologie, Geschichte der

 

[engl. peace psychology, history], [HIS, SOZ], seit Beginn der modernen Ps. forschen Psychologen zum Thema Frieden. Bis 1920 wird, ausgehend von der Völkerpsychologie, Ethnopsychologie und Massenpsychologie, Frieden und Krieg überwiegend als Ergebnis kollektiver historischer Prozesse untersucht. In der Verankerung des Krieges im kollektiven Bewusstsein wird ein entscheidendes Hindernis für Frieden gesehen (James, 1910, Le Bon, 1908). Feldstudien aus dem Ersten Weltkrieg beschreiben die Veränderungen der indiv. Wahrnehmung von Landschaften (Lewin, 1917) sowie der sozialen Werte und Beziehungen (Dessoir, 1926) an der Front (Wehrpsychologie). Mit der Etablierung der empir. Sozialpsychologie nach dem Ersten Weltkrieg konzentriert sich die Friedenspsychologie in den USA darauf, durch indiv. Verhaltensänderungen Feindbilder abzubauen (Allport, 1927) und internat. Beziehungen zu verbessern (McDougall, 1927). Mit der SPSSI (Society for the Psychological Study of Social Issues) wird ein organisatorischer Rahmen für diese Forschungen geschaffen. Schwerpunkt in den 1930er-Jahren ist die Messung pazifistischer und militaristischer Einstellungen (Einstellungsskalen; Dudycha, 1942). Daneben erscheinen etliche psychoanalytische Arbeiten, die davon ausgehen, dass ein angeborener Aggressionstrieb einen dauerhaften Frieden verhindert. Nach Freud könnte allerdings in ferner Zukunft ein dauerhafter Frieden möglich werden, wenn der Aggressionstrieb durch Kulturentwicklung und die Schaffung einer internat. Zentralgewalt eingedämmt wird (Einstein & Freud, 1933). Während des Zweiten Weltkrieges entwickeln US-amerikanische Sozialwissenschaftler und Psychologen Strategien, wie nach Kriegsende (z. B. durch Care-Pakete) der ehemalige Feind zum Freund gemacht werden kann (Spence, 1942, Mead, 1942, Murphy, 1942). In den 1960er-Jahren bekommt die Friedenspsychologie neue Impulse durch Experimente wie prisoner-dilemma game, Untersuchungen zu mirror images (Projektion) und Experimente zur Aggression als Reaktion auf best. Reize (Berkowitz, 1964). Das Milgram-Experiment und das Stanford-Prison-Experiment, zeigen, dass die Macht der Situation ganz normale Menschen dazu bringen kann, sich grausam zu verhalten. In der dt. Nachkriegsps. ist Frieden – mit wenigen Ausnahmen (Bergius, 1967, Kroner, 1971, Thomae, 1966) – bis 1980 kein Thema. Angesichts der zunehmenden Gefahr eines Atomkriegs im Zusammenhang mit der US-Außenpolitik unter Ronald Reagan wurde die Verhinderung eines Atomkrieges Schwerpunkt friedenspsychol. Forschung (White, 1986; Bolm et al., 1983). In Dt. werden – angestoßen durch die Friedensbewegung und die Gründung des «Forums Friedensps.» – Mitte der 1980er-Jahre etliche quant. und qual. Untersuchungen zur Kriegsangst (Boehnke et al., 1989), zu Feindbildern (Sommer et al., 1987), zu gewaltfreier Konfliktlösung und zum Entscheidungsverhalten in Krisensituationen (Dörner et al., 1983) durchgeführt. Seither hat sich die Friedenspsychologie auch in Dt. zu einem festen Bestandteil der Ps. entwickelt.

Referenzen und vertiefende Literatur

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