Expertise-Erwerb

 

[engl. acquisition of expertise], [KOG, PÄD], bez. den Prozess des Entstehens der herausragenden Leistung einer Person (Experte) in einem best., meist professionellen Gebiet (Domäne) und umfasst einen langen Zeitraum, meist von zehn oder mehr Jahren. Das Verständnis von Expertise-Erwerb erfordert eine Analyse der indiv. Informationsverarbeitungsprozesse exzellenter Personen (allg.psychol.), der Entwicklung von Domänen und der Vernetzung von Experten darin (soziokult.) sowie der instruktionalen Unterstützung (Instruktion) der indiv. Übeprozesse (Üben) und der sozialen Integration (päd.-psychol.). Expertise-Erwerb wird als erfahrungsbasierte Adaptation an die typischen Anforderungen der Domäne aufgefasst. Im Fokus der Forschung, die oft mit der Methode des lauten Denkens arbeitet, stehen bislang kogn. Adaptationen (Verbesserung der Gedächtnisleistung, Wissenserwerb, Wissens-Restrukturierung, Problemlösen), neuerdings – v. a. in Domänen wie Sport oder Musik – auch physiol. oder motorische Adaptationen (Physiologie, Motorik). Da die Adaptationen domänenspezif. sind, können sie nicht ohne Weiteres auf andere Domänen übertragen werden (Transfer). Durch die Domänenspezifität und die lange Dauer des Expertise-Erwerbs entstehen sehr große Effekte in der Leistungsstärke beim kontrastiven Vergleich, dem Vergleich von Experten mit Novizen (Anfängern), die meist weitaus größer sind als dispositionelle (Disposition, z. B. Intelligenz) oder Altersunterschiede. Die Schwerpunkte der Forschung zu kogn. Adaptationen liegen in der Untersuchung der visuellen Wahrnehmung – zumeist mit der Methode des Eye Tracking – sowie in der Untersuchung von Gedächtnisleistung und Wissensverarbeitung – zumeist mit der Methode des Lauten Denkens.

Expertise-Erwerb beruht darauf, dass domänenspezif. Informationseinheiten durch umfangreiche Erfahrung in immer größere, bedeutungsvolle Informationseinheiten (chunk) zus.gefasst werden und aufgrund der elaborierten Organisationsprozesse beim Speichern und Abruf schnell zugänglich und auf typische Fälle in der Domäne anwendbar sind. Dies geht mit einer Restrukturierung des Expertenwissens einher. Bspw. wird in der Med. während des Umgangs mit vielen Pat.fällen während des Expertise-Erwerbs das deklarative biomed. Fachwissen durch den Prozess der Enkapsulierung in Wissen transformiert, das in Form von generalisierten, fallbezogenen Schemata repräsentiert wird. Enkapsuliertes Wissen integriert deklaratives Wissen mit episodischem Erfahrungswissen und ist daher schnell zugänglich und flexibel anwendbar.

Beim Expertise-Erwerb stehen Prozesse des Übens im Vordergrund. Das Konzept des zielgerichteten Übens (Deliberate Practice) erwies sich in allen bisher untersuchten Domänen als bedeutsam. Deliberate Practice ist eine bes. effektive Form des Übens; sie umfasst strukturierte Aktivitäten, deren ausdrückliches Ziel (Lernziel) die Verbesserung der Leistungsstärke ist. Hierbei werden genau diejenigen Bereiche trainiert, die das Individuum noch nicht beherrscht. Die gezielte Arbeit von Verbesserungswürdigem unterscheidet Deliberate Practice von Arbeit oder Spiel, beides Aktivitäten, die ebenfalls zur Erfahrung eines Individuums beitragen. Deliberate Practice wird oft als anstrengend und wenig freudvoll wahrgenommen, weswegen dritten Personen wie Trainern, Lehrern, Mentoren oder Meistern, die hinter dem Expertise-Erwerb der leistungsstarken Individuen stehen (persons in the shadow), eine bes. Rolle zukommt. Diese Personen müssen sowohl über Kenntnis der Aufgabenanforderungen in der Domäne als auch über instruktionale Kenntnisse (Sequenzierung von Übungen, Zus.spiel von Leistungskomponenten, Ermöglichen von Erfahrungen, Vernetzung mit anderen Experten, Leistungsbewertung) verfügen. Die Rolle der persons in the shadow wird v. a. aus soziokult. Sicht in Studien zum professional learning und zur Vernetzung von Experten analysiert. Die persons in the shadow stellen das Bindeglied zw. den Anforderungen in der Domäne und der indiv. Adaptation des Experten dar und sichern damit, dass Expertise-Erwerb mit der Entwicklung von Professionen einhergeht und dass Wissensbestände, Regelwerke und Standards weitergegeben und zugleich weiterentwickelt werden.

Referenzen und vertiefende Literatur

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