Diagnostik, gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen

 

[engl. diagnostics/assessment, societal and judical conditions], [DIA], juristische Rahmenbedingungen beziehen sich auf öffentliche Normen, die in einer Gesellschaft verbindlich vorschreiben, wie sich der Einzelne in best. Situationen verhalten soll. Die rechtlichen Rahmenbedingungen folgen dabei nach Joussen (2004) einer best. Systematik; nämlich einer Normpyramide, die hierarchisch eine Rangfolge der Gesetze und ihre Vorrangigkeit beschreibt. An oberster Ebene steht das Recht der Europäischen Gemeinschaft, gefolgt vom dt. Grundgesetz, nachgeordnet sind die einfachen Gesetze (z. B. Strafgesetzbuch (StGB), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Es folgen weitere Rechtsformen – wie etwa Richtlinien und Satzungen von Organisationen. Konsequenzen und (Wechsel-)Wirkungen auf die psychol. Diagnostik ergeben sich auf vielen Ebenen, in versch. Form und in unterschiedlichen Bereichen. Rechtliche Vorgaben, die es im diagnostischen Prozess zu berücksichtigen gilt, sind u. a. Schweigepflicht oder die im Grundgesetz verankerten Werte wie Schutz der Menschenwürde, die insbes. bei Gutachtenerstellungen (Psychologisches Gutachten) relevant sind. Rechtliche Verpflichtungen zur Information und Dokumentation, die u. a. für Psychol. Psychotherapeuten i. R. einer Behandlung (Behandlungsvertrag) zu berücksichtigen/beachten sind, betreffen u. a. die Pflicht zur ausführlichen Information über Diagnose, Therapie zu Beginn und zur Führung einer Pat.akte sowie das Recht zur Einsichtnahme durch die Pat. (§§ 630a bis 630h BGB). Vor Gericht haben Psychologen als Diagnostiker kein Zeugnisverweigerungsrecht. Psychol. Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten können in Strafprozessen hingegen von der Zeugnisverweigerung Gebrauch machen – jedoch nur über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist (§ 53 StPO).

Leitsätze, Leitlinien und Richtlinien: Um eine ethisch und wiss. fundierte Diagnostik zu sichern, wurden fachliche Normen und Leitlinien zu Rahmenbedingungen des diagn. Handelns formuliert: Der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) veröffentlichten 1994 Leitsätze zur Dokumentation klin.-psychol. Interventionen. 1999 erschienen Ethische Richtlinien (BDP, DGPs), die verbindliche Regeln für das professionelle Verhalten von Psychologen nicht nur im beruflichen Kontext formulieren. Für den BDP dienen diese auch als Berufsordnung. Seit 2016 in der aktual. Fassung als Berufsethische Richtlinien in Kraft getreten und abgestimmt mit den Empfehlungen im Europäischen Meta Code on Ethics der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA). Kapitel 5 formuliert z. B. die bes. Verantwortung gegenüber den Klienten/Pat. etwa bzgl. Selbstbestimmungsrecht, Vertrauensverhältnis, Aufklärung und Einwilligung (informed consent). Im Abschnitt 5.3 zum Umgang mit Daten sind z. B. Hinweise auf die Einhaltung der Schweigepflicht (z. B. gegenüber Familienangehörigen, Kollegen, Vorgesetzten) und ein Verweis auf § 203 StGB angeführt. Bei Verstößen gegen die berufsethischen Richtlinien kann das Ehrengericht eingeschaltet werden.

1988 veröffentlichte die Föderation Dt. Psychologenvereinigungen Richtlinien für die Erstellung psychol. Gutachten. 2017 wurden diese durch die Qualitätsstandards für psychologische Gutachten des Diagnostik- und Testkuratoriums (DTK) ersetzt, die als Mindestanforderungen an ein psychol. Gutachten zu verstehen sind. Die DIN 33430 enthält nicht nur Richtlinien, sondern festgelegte Qualitätsstandards und ist somit die erste Norm für wesentliche Aufgabenfelder (z. B. Berufseignungsdiagnostik) weltweit.

Ethische Richtlinien veröffentlichen auch andere Berufsverbände, wie etwa die Amerik. Gesellschaft für Ps. (American Psychological Association (APA)) mit Ethical Principles of Psychologists and Code of Conduct (2003, 2010, 2017; [www.apa.org/ethics/code/]). Spezif. Richtlinien, wie etwa zur Arbeit von Psychologen in und mit Medien, erstellt auch u. a. der europäische Verbund (EFPA Guidelines Media 2011; [http://ethics.efpa.eu/guidelines/]).

Mitbestimmung und Wechselwirkungen zw. diagn. Anwendungsfeldern und Rahmenbedingungen: In versch. Anwendungsfeldern werden Leistungen von der Diagnostik abgerufen, aber auch Diagnostiker bestimmen ihrerseits mit, wie sich die Anwendungsfelder umschreiben und umgrenzen lassen – wie z. B. im Anwendungsfeld Pädagogik und Bildung: Bei der päd. Diagnostik, der Qualitätssicherung von Bildungsprozessen und Förderung von leistungsstarken und -schwächeren Schülern sind die Anforderungen hoch (z. B. Schulfähigkeit, Lernstörungen), jedoch bestimmt die Diagnostik auch mit, wie etwa Hochbegabung oder Schulfähigkeit zu def. sind.

Datenschutz und Vorschriften bei personenbezogenen Informationen: Der Datenschutz bezieht sich auf personenbezogene Informationen, die in vielen Phasen des diagn. Prozesses und mit versch. diagn. Methoden (z. B. Gespräch, Leistungs- und Persönlichkeitstests) erhoben werden. Der Datenschutz erlegt demnach dem Diagnostiker juristische Pflichten auf, die das Handeln beeinflussen und bestimmen. Richtlinien zum Datenschutz finden sich etwa in gesetzlichen Vorschriften (z. B. StGB, Europäische Menschenrechtskonvention Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8) oder Berufsstandard (z. B. BDP-Richtlinien; [www.bdp-verband.de/profession/ethik]) und beziehen sich auf viele Bereiche wie etwa Schweigepflicht, Dateneinsicht und Dokumentation von Daten. Bsp.haft seien angeführt: Schweigepflicht: Psychologen sind nach § 203 StGB verpflichtet, über alle ihnen in Ausübung ihrer Berufstätigkeit anvertrauten und bekannt gewordenen Tatsachen zu schweigen, soweit nicht das Gesetz Ausnahmen vorsieht oder ein bedrohtes Rechtsgut überwiegt. Die Schweigepflicht gilt auch gegenüber Psychologen als Kollegen und Vorgesetzten, die an einer Untersuchung nicht beteiligt sind. Sie entfällt gegenüber Mitarbeitern und Helfern von Psychologen, die mit der Vorbereitung oder Begleitung betraut sind (soweit dieser Umstand den Klienten bekannt ist; konkludente Schweigepflichtsentbindung). Mitarbeiter von Psychologen sind über ihre Pflicht zur Verschwiegenheit zu belehren, und diese Belehrung ist schriftlich festzuhalten.

Dokumentation – Aufzeichnungen, Erhebung und Speicherung von Daten: Die Ablage von Informationen, die aus Diagnostik oder Intervention stammen, müssen gegen den Zugriff unbefugter Personen gesichert sein. Urmaterialien und ihre Aufbereitung sind entspr. den Festlegungen der Auftraggeber oder mind. für zehn Jahre aufzubewahren. Bzgl. Umfang und Art der Dokumentation i. R. einer Behandlung sind Psychol. Psychotherapeuten nach § 630f BGB angewiesen, eine umfassende Pat.akte zeitnah zu führen, weitreichend zu dokumentieren (z. B. Diagnosen, Sitzungsaufzeichnungen) und mind. 10 Jahre (Krankenhäuser 30 Jahre) aufzubewahren (Dokumentationspflicht). Eine Einsichtnahme in diese Behandlungsdokumentation wird Pat. nach § 630g BGB ermöglicht, es kann eine unverzügliche und uneingeschränkte Akteneinsicht eingefordert werden (Einsichtnahmerecht).

Referenzen und vertiefende Literatur

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