Depression

 

[engl. depression; lat. depressus herabgedrückt], syn. Depressive Störung, [KLI]psychische Störung deren Kernsymptom in einer durch Beeinträchtigung der Gefühls- und Stimmungslage bedingte psych. Niedergeschlagenheit bzw. Traurigkeit besteht. Weiterhin treten charakterist. Anzeichen auf der motivationalen (Interesse- und Antriebsverlust; Motivation), der kogn. (neg. Selbstkonzept, -vorwürfe und -beschuldigungen, Grübeln, Konzentrationsverlust, Entschlussunfähigkeit; Kognition), der verhaltensbezogenen (Rückzug, Veränderung im Aktivitätsniveau (retardiert vs. agitiert) sowie der vegetativen (Schlaflosigkeit (Schlafstörungen), Appetit- und Libidoverlust) Ebene auf. Depressive Störungen beeinflussen die Aktivität und Teilhabe des Betroffenen, beeinträchtigen vor allem die Bereiche Schule/Beruf bzw. Sozialkontakte und erhöhen zudem in bedeutsamer Weise das Risiko für suizidale Handlungen (Suizidalität).

Ätiologie: Für die Entstehung der Depression wird von einem Zus.wirken mehrerer Ursachen ausgegangen. Es kommen dabei sowohl biol. Faktoren wie Prädispositionen, Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung und die damit einhergehenden indiv. kogn. Verarbeitungsmuster als auch die maladaptive Verarbeitung belastender Ereignisse in Betracht. Biol. bzw. genetische Ursachen der Depressionentstehung werden aus epidemiologischen Studien abgeleitet, die ein erhöhtes familiäres Depressionsrisiko bei Kindern depressiver Eltern belegen, wobei die genauen Zshg. noch unklar sind. Zwillingsstudien belegen eine moderate Vererbbarkeit, die allerdings nur bei bipolar verlaufenden Depression (bipolare Störungen) ausgeprägt erscheint. Als möglicher Entstehungskorridor wird eine passive oder aktive Gen-Umwelt-Interaktion bei den Betroffenen vermutet, die eine erhöhte Verletzlichkeit gegenüber kritischen Lebensereignissen (z. B. Trennung, Tod in der Familie) bewirkt (Vulnerabilitäts-Stress-Modell). Auch traumatische frühe Erlebnisse (etwa Vernachlässigung in der Kindheit, schwerwiegende Erkrankungen) können eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Depression begünstigen. Im Zuge neuro- und stressbiol. Forschung wird in diesem Zshg. die Bedeutung früher Bindungsstörungen (Bindung) und damit verbundener dysfunktionaler Stressregulation als Risikofaktor betont. Die Bedeutung von bes. anderen Persönlichkeitsfaktoren, wie gehemmtes Temperament oder Verhaltenshemmung, sind als Risikofaktoren beforscht worden, wobei die Eindeutigkeit dieser Persönlichkeitseigenschaften zur Krankheitsentstehung unklar bleibt. Neuere epidemiologische Studien weisen auf psychopathologische (Psychopathologie) Symptome hin, die mit dem Beginn einer Depression zus.hängen und damit als Risikofaktoren in Betracht kommen. So gehen Depressionen häufig andere psych. Erkrankungen voraus, insbes. Angststörungen.

Zu den am besten beforschten psychol. Depressiontheorien zählen die Verstärker-Verlust-Theorie nach Lewinsohn, das Modell der dysfunktionalen Kognitionen und Schemata nach Beck sowie das Modell der erlernten Hilflosigkeit nach Seligman. Unter dem Blickwinkel lernpsychol. Ansätze wird in der Verstärker-Verlust-Theorie nach Lewinsohn angenommen, dass eine geringe Verstärkung aus der sozialen Umwelt zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Depression beiträgt (operante Konditionierungsmethoden). Aufgrund eingeschränkter sozialer Fertigkeiten steigt die Zahl neg. Erlebnisse im Sozialkontakt der Betroffenen und die Zahl pos. Erfahrungen sinkt. Zusätzlich zeigt sich, dass depressive Personen sensitiver auf belastende Ereignisse reagieren und pos. Erfahrungen weniger als solche wahrnehmen bzw. weniger intensiv genießen können. Dem Modell der dysfunktionalen Kognitionen und Schemata nach Beck (Kognitive Therapie nach Beck) zufolge verwenden depressive Personen besondere dysfunktionale kognitive Schemata (stabile kogn. Muster und Denkstrukturen, z. B. die Grundannahme: «Ich muss perfekt sein.»), die ihre Wahrnehmung und Bewertung von Situationen neg. verzerren können. Die kognitive Triade zeigt sich insbes. durch eine verzerrt-neg. Sicht und Denkweise in Bezug auf sich selbst, die Umwelt und die Zukunft. Diese verzerrte Sicht der Realität bestätigt sich durch eine Reihe von typischen logischen Fehlern bei der Informationsverarbeitung und Schlussfolgerungen depressiver Personen (willkürliches Schlussfolgern, selektives Verallgemeinern, Übergeneralisieren, Maximieren und Minimieren, Personalisieren, verabsolutiertes, dichotomes Denken). Weitere Merkmale sind nach Beck sich aufdrängende automatische Gedanken, das bedeuet schnell ablaufende unfreiwillige Kognitionen, die zw. einem Ereignis (externaler oder internaler Art) und einem emot. Erleben (Konsequenz) liegen. Diese automatischen Gedanken geben meist die Zugangsmöglichkeit zu den dahinter liegenden, grundlegenderen, situationsübergreifenden und unbewussten «depressogenen Grundannahmen», etwa «Wenn ich Fehler mache, bedeutet das, dass ich unfähig bin.» (Spaltentechnik). Nach Seligmans Modell der erlernten Hilflosigkeit entsteht die Depression vor dem Hintergrund von Hilflosigkeit, die Betroffene erleben, wenn für sie bedeutsame Ereignisse unkontrollierbar erscheinen. Das eigene Verhalten und dessen Konsequenzen in der Umwelt werden genommen und diese Erfahrungen werden auf neue Situationen generalisiert. Nach Seligman fördert ein best. Attributionsstil (Kausalattribution) die Entstehung von Depression, insbes. neg. Erlebnisse als intern (die eigene Person ist das Problem), stabil (das Problem ist unveränderlich) und generell (das Problem ist allgegenwärtig) verursacht anzusehen.

Prävalenz und Verlauf: Depressive Störungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen, deren Prävalenz seit den 1940er-Jahren zugenommen hat. Es wird davon ausgegangen, dass 20 % der Bevölkerung mind. einmal im Leben eine depressive Episode erlebt. Die 6- bzw. 12-Monatsprävalenzen depressiver Störungen betragen im Kindesalter ca. 2 %, im Jugendalter 4–8 %. Die Querschnittsprävalenz ist im Erwachsenenalter bis zum 65. Lebensjahr über alle Altersgruppen hinweg relativ stabil mit 12-Monats-Prävalenzen von 6 bis 8 %. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer, wobei sich das erhöhte Erkrankungsrisiko für das weibliche Geschlecht erst ab der Pubertät herausbildet. Depressive Störungen treten häufiger bei geschiedenen, getrennt lebenden oder verwitweten Personen auf. Ferner ist die Assoziation zw. Trennung oder Scheidung und Depression bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Depression treten häufig zus. mit anderen psych. oder körperlichen Erkrankungen auf, sowohl als vorausgehende Störung als auch als Begleiterscheinung. Die höchsten Komorbiditätsraten finden sich für Angststörungen, Substanzstörungen, somatoforme Störungen sowie – bei Kindern und Heranwachsenden – Verhaltens- und emotionale Störungen der Kindheit, Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADHS) und Essstörungen. Ätiologische Zshg. von Depression mit körperlichen Erkrankungen sind für Diabetes, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfall und neurodegenerative Erkrankungen (Parkinson'sche Erkrankung, Demenz) belegt. Depression sind mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden; ca. 15 % der an einer schweren Depression Erkrankten versterben durch Suizid. Die Depression ist zumeist eine episodisch verlaufende Erkrankung. Bei etwa einem Drittel aller Betroffenen tritt nur einmal im Leben eine depressive Episode auf; bei einem weiteren Drittel finden sich rezidivierende Episoden und bei einem Drittel kann die Depression auch trotz Therapie in eine chronische Erkrankung übergehen. Rezidivierende Krankheitsverläufe können sehr unterschiedlich sein, von gehäuften Episoden in kurzer Zeit über vereinzelte Episoden und zwischenzeitlich jahrelange symptomfreie Intervalle.

Klassifikation und Diagnostik: Die Diagnose wird auf Basis von Symptomen der Depression sowie versch. zusätzlich zu berücksichtigenden Merkmalen (z. B. Kriterien der psychosozialen Beeinträchtigung, der Dauer oder des Verlaufs) gestellt (Klassifikation psychischer Störungen; s. Anhang I, F32−F33). Depressive Störungen werden im DSM-IV unter der Hauptgruppe affektive Störungen kodiert und beinhalten die Major Depression, die dysthyme Störung und die nicht näher bezeichnete depressive Störungen. Neben den depressiven Störungen (mono- oder unipolare Depression) umfassen affektive Störungen im DSM-5 auch die bipolaren Störungen (Bipolar-I-Störung, Bipolar-II-Störung, zyklothyme), die zusätzlich durch das Auftreten manischer (Manie), hypomaner oder gemischter Episoden charakterisiert sind, sowie die persistierende depressive Störungen, affektive Dysregulationsstörung und prämenstruelle dysphorische Störung. Zu den affektiven Störungen zählen weiterhin affektive Syndrome, die auf einen med. Krankheitsfaktor oder den Einfluss psychotroper Substanzen zurückgeführt werden können. Die ICD-10 klassifiziert depressive Störungen auf der Grundlage von Symptomatologie, Schweregrad, Dauer, Verlauf und Frequenz wiederkehrender Erkrankungsphasen. Die typische Depression stellt die Major Depression bzw. depressive Störungen dar, die in einzelnen oder wiederkehrenden Episoden von mind. zweiwöchiger Dauer auftritt. Für eine rezidivierende depressive Störung (F33) muss neben der aktuellen Episode mind. eine weitere depressive Episode in der Vorgeschichte vorgelegen haben, die mind. zwei Wochen angedauert hat und von der gegenwärtigen Episode durch ein mind. zweimonatiges, weitgehend symptomfreies Intervall abgegrenzt werden kann. In der Anamnese darf keine Phase aufgetreten sein, die die Kriterien für eine manische oder hypomane Episode erfüllt. Depression Episoden und rezidivierende depressive Störungen können nach ihrem Schweregrad bzw. der Anzahl der Symptome und dem Ausmaß der psychosoz. Beeinträchtigung in leicht, mittelgradig und schwer ohne/mit psychotischen Symptomen unterteilt werden. Bei einer leichten Störung sollten vier oder fünf, bei einer mittelgradigen sechs oder sieben und bei einer schweren alle drei Kernsymptome und insges. mind. acht Symptome vorliegen. Leichte und mittelgradige depressive Episoden und rezidivierende depressive Störungen können weiterhin danach spezifiziert werden, ob ein somatisches Syndrom vorliegt oder nicht. Für die Kodierung eines somatischen Syndroms sollten vier der folg. Merkmale vorhanden sein: (1) Deutlicher Interessenverlust oder der Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten, (2) mangelnde Fähigkeit, auf Ereignisse oder Aktivitäten emot. zu reagieren, die normalerweise eine Reaktion hervorrufen, (3) Früherwachen, zwei Stunden oder mehr vor der gewohnten Zeit, (4) Morgentief, (5) objektivierter Befund einer ausgeprägten psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit (von anderen bemerkt oder berichtet), (6) deutlicher Appetitverlust, (7) Gewichtsverlust (5 % oder mehr des Körpergewichts im vergangenen Monat) und (8) deutlicher Libidoverlust. Als Differenzial- oder Ausschlussdiagnosen müssen einige körperliche Erkrankungen berücksicht werden, bei denen depressive Symptome auftreten können, z. B. Perniziöse Anämie, Vitamin-B12-Mangel oder Erkrankung der Schilddrüse. Diagn. Instrumente, die im Bereich Depression eingesetzt werden, sind im Verzeichnis diagn. Verfahren in Anhang II aufgeführt. Depression, Psychotherapie, Depression, PsychopharmakotherapieDepression im Kindes- und Jugendalter,Depression, Neurobiologie der.

Referenzen und vertiefende Literatur

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