Depression, Neurobiologie der

 

[engl. neurobiology of depression], [BIO, KLI, PHA], genetische, anatomische und neurochemische Befunde und Hypothesen zur Pathogenese und zu biol. Folgen der Depression. Hypothesen zur Neurobiologie

der Depression umfassen eine monoaminerge Dysregulation, eine veränderte neuronale Plastizität und Auffälligkeiten der intra- sowie interzellulären Signalübertragung bei depressiven Pat. Diese Veränderungen entstehen auf der Grundlage genetischer Phänomene und äußern sich in Auffälligkeiten der Funktion und Struktur von Zellen des Gehirns sowie von best. Gehirnarealen. Die einzelnen neurobiol. Auffälligkeiten stehen untereinander und mit psychosozialen Krankheitsfaktoren in Beziehung. Übereinstimmend zeugen die Ergebnisse von Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien von einer familiären Häufung der Depression und legen die Annahme einer genetischen Mitbeteiligung in ihrer Genese nahe. In Kopplungs- und Assoziationsstudien konnten Kandidatenregionen auf den Chromosomen 1, 3, 4, 9, 10, 12, 13, 16, 18, 20, 21, 22 und X identifiziert werden. Bei metaanalytischer Betrachtung kommen als Suszeptibilitätsgene für die unipolare Depression die Gene des Apolipoprotein E, der Untereinheit β3 des Guaninnukleotid-bindenden Proteins, der Methylentetrahydrofolatreductase, des Dopaminrezeptors D4 und best. Serotonintransportergene (Serotonin, serotonerges Systeme) in Betracht. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) konnten bisher keine genomweit signifikanten Assoziationen von Genen mit der unipolaren Depression gefunden werden. Starke Effekte ergaben sich allerdings in einer GWAS für das Gen einer Protonenpumpen-ATPase, des Transkriptionsfaktors SP4 und eines Glutamatrezeptors (Glutamat). Nach diesen Befunden leisten nicht nur Gene, die in direktem Zus.hang mit der synaptischen Konzentration von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin in Zus.hang stehen, sondern auch Gene, die sich auf den Stoffwechsel der Neurotransmitter, die Signalweiterleitung in der Zelle und auf der Zelloberfläche, auf Zellwachstum, -differenzierung, die Organellen- und Axonfunktion einer Nervenzelle und den zirkadianen Rhythmus auswirken, einen wesentlichen Beitrag zur Neurobiologie

der Depression In mehreren Studien der letzten Jahre wurde i. S. einer Gen-Umwelt-Interaktion (Erbe-Umwelt-Problem) das Zus.wirken stressreicher Lebensereignisse und genetischer Prädisposition für die Entstehung einer Depression untersucht. Es wurde u. a. ein funktioneller Polymorphismus des Serotonintransportergens (5-HTTPR) gefunden, der den Einfluss stressreicher Lebensereignisse auf die Entstehung der Depression moderiert. Personen mit einer oder zwei Kopien des kurzen Allels des 5-HTTPR entwicklen unter Stress eher eine Depression als Personen, die homozygot für das lange Allel sind. Auch die Genexpression trägt zur Neurobiologie

der Depression bei. In Genexpressionsstudien waren die konsistentesten Expressionsunterschiede hinsichtlich der Messenger-RNA (mRNA) bei Genen, die in Zus.hang mit dem Glutamat-, der γ-Aminobuttersäure (GABA)- und dem Serotoninsystem stehen. Neuroanatomische Regionen, in denen sich bei Pat. mit Depression kernspintomografische Veränderungen zeigen, sind Teile des limbischen Systems wie der Hippocampus und die Amygdala sowie der präfrontale Kortex. Diese Befunde sind nicht nur auf Veränderungen der Neurone, sondern auch der Gliazellen zurückzuführen. Bei volumetrischen MRT-Untersuchungen (Magnetresonanztomografie, MRT) wurde eine neg. Korrelation zw. dem Volumen des Hippocampus und der Dauer einer nicht behandelten Depression festgestellt. Eine erfolgreiche Behandlung führt dagegen zu einer Normalisierung des Hippocampus-Volumens. Kortikosteroide wie Kortisol, ein Hormon der HHN-Achse könnten eine wesentliche Rolle für diese neuroplastischen Veränderungen sein. Von allen Regionen des Gehirns hat die Hippocampus-Formation nämlich die höchste Dichte an Glukokortikoidrezeptoren. In funktionellen und strukturellen MRT-Studien sowie metabolischen PET-Untersuchungen (Positronen-Emissions-Tomografie) wurde als ein zentraler Befund bei depressiven Pat. eine überaktive und vergrößerte Amygdala gefunden. Diese Überaktivierung könnte eine Folge der mangelnden Kontrolle der Amygdala durch den ventromedialen und den orbitalen präfrontalen Kortex (PFC) sein. Aufgrund der antidepressiven Wirksamkeit von Imipramin und MAO-Hemmern wurde 1965 die sog. Katecholaminmangelhypothese der Depression formuliert: Diese postuliert ein funktionelles Defizit von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin als neurobiol. Korrelat der Depression. Trotz einer Vielzahl von Studien an Pat. mit Depression ist jedoch nicht klar, ob dieses Defizit tatsächlich besteht.

Die in den letzten 20 Jahren erhobenen Befunde aus dem Bereich der Psychoneuroimmunologie (Psychoneuroimmunologie, störungsbezogene Aspekte) bei depressiven Pat. führten zur Formulierung der Zytokinhypothese der Depression. Diese besagt, dass best. proinflammatorische Zytokine depressiogen wirken können. Mögliche Mechanismen sind eine Aktivierung der HHN-Achse, ein Tryptophanmangel, eine Verstärkung der Serotonin-Wiederaufnahme und apoptotische Prozesse im Gehirn.

Schlafstörungen wie Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen und Früherwachen gehören zu den typischen Symptomen der Depression In Schlaflaboruntersuchungen wurden v. a. ein Verlust des Tiefschlafs und ein häufiges Aufwachen während der Nacht gefunden. Diese Auffälligkeiten depressiver Pat. in der zirkadianen Rhythmik sind u. a. auf eine verminderte Produktion von Melatonin während der Nacht sowie auf Veränderungen anderer endokriner Systeme wie der HHN-Achse mit vermehrter Ausschüttung von Kortisol zurückzuführen, das als Stresshormon die Wachheit fördert und so zu Schlafstörungen führt. Das Antidepressivum Agomelatin, welches ein Melatonin-Agonist ist, soll über eine Normalisierung des zirkadianen Rhythmus antidepressiv wirken.

Referenzen und vertiefende Literatur

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