Altruismus

 

[engl. altruism; lat. alter der andere], [SOZ], im Ggs. zum Egoismus stehende Rücksichtnahme auf andere. Selbstlosigkeit in Denken, Fühlen und Handeln (Handlung). In den meisten Systemen, die Selbsterhaltung als zentrales Motiv allen Verhaltens annehmen (Selbsterhaltungstrieb), ist Altruismus i. S. der Def. unmöglich. In der Sozialps. wird Altruismus i. d. R. an vier Bedingungen geknüpft (Bierhoff, 1990): (1) Das altruistische Verhalten sollte für den Hilfeempfänger eine Wohltat darstellen; (2) es sollte mit Absicht erfolgen; (3) der Handelnde sollte freiwillig handeln, wodurch altruistisches Verhalten aufgrund von direkter Belohnung, wie z. B. Bezahlung, oder aber aufgrund professioneller Zugehörigkeit ausgeschlossen wird; (4) die Empfänger der Handlung sollten Individuen sein.

Die theoret. Erklärungsansätze für altruistisches oder hilfreiches Verhalten lassen sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten klassifizieren: (1) Modelle für Verhalten in Notfallsituationen bzw. in Nicht-Notfallsituationen. In Notfällen müssen unter Zeitdruck Hilfeentscheidungen getroffen werden, die dennoch langfristige Konsequenzen für den Hilfeempfänger haben können; (2) situationsspezif. Modelle machen das Auftreten altruistischer Verhaltensweisen von situativen Determinanten abhängig, wie Stimmungen, Zeitdruck, Umgebungsvariablen; (3) lern- und sozialisationstheoret. Modelle versuchen, hilfreiches Verhalten durch die Aktivierung sozialer Normen und Standards zu erklären (z. B. Norm der Verantwortung (soziale Verantwortung), der Gegenseitigkeit); (4) persönlichkeitsspezif. Ansätze postulieren Altruismus als Disposition; (5) austauschtheoretische Modelle basieren auf Kosten-Nutzen-Analysen (Kosten-Nutzen-Kalkulation) und sind im Prinzip mit den definitorischen Merkmalen des Altruismus nicht vereinbar; (6) Prozessmodelle beinhalten eine Abfolge einzelner Schritte, die erfolgreich abgeschlossen sein müssen, damit es zu einer Hilfeleistung kommt, wie z. B. die Interpretation einer Notlage, die erforderliche Kompetenz zur Hilfe etc.; (7) soziobiol. Modelle stellen den funktionalen Stellenwert des hilfreichen Verhaltens für die nächsthöhere Einheit in den Vordergrund, wie z. B. Weiterleben der Familie, der Gruppe, der Art; (8) Modelle zur Erklärung des Verhaltens von Hilfeempfängern konzentrieren sich auf die Situation des Hilfeempfängers, der sowohl durch die Notlage, aus der er sich ohne Hilfe nicht befreien kann, als auch durch das unmissverständliche, erlebte Gefühl der Abhängigkeit von anderen möglicherweise sein Selbstwertgefühl bedroht sieht.

Zu den klass. Untersuchungsthemen zählen der bystander effect, d. h. die Abhängigkeit der Hilfeleistung von der Zahl der in einer Notsituation anwesenden Personen, die Rolle der Empathie als einer der zentralen Voraussetzungen für Hilfeleistung, soziodemografische und indiv. Merkmale in ihren Auswirkungen auf Hilfeverhalten, wie z. B. Stadt-Land-Gefälle, Schichtabhängigkeit, Geschlechtszugehörigkeit, interkult. Unterschiede, und die Entwicklung des altruistischen Verhaltens in Kindheit und Jugend bzw. deren förderliche Sozialisationswirkungen. Empathie-Altruismus-Hypothese, prosoziales Verhalten.

Referenzen und vertiefende Literatur

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