Äquilibration, Equilibration

 

[engl. equilibration; lat. aequilibrium Gleichgewicht], syn. Gleichgewichtsbildung. [EW, KOG], Äquilibration oder Gleichgewichtsbildung ist in vielen ps. Funktionsfeldern ein zentraler Prozess. Eine zentrale Rolle nimmt Äquilibration i. R. der Stufentheorie von Piaget (Entwicklung, Stufentheorie nach Piaget) ein. Piaget betont, dass es wichtig ist, dass versch. Kognitionen miteinander verträglich sind. Ungleichgewichte entstehen, wenn widersprüchliche Wahrnehmung oder Überzeugungen miteinander in Kontakt kommen oder wenn zw. einzelnen Kognitionen kein Zusammenhang erkenntlich ist, obwohl das erkennende oder denkende Subjekt einen solchen Zusammenhang erwartet. Äquilibration führt bspw. bei der Menge, der Zahl, der Zeit oder des Raumes zum Invarianz- oder Identitäts-Urteil (trotz der Veränderung anschaulicher Daten). Bsp.: Verformung einer «Wurst» aus Knetmasse oder Umschütten von Perlen in Gläser mit verschiedenem Durchmesser. Der Äquilibrationsprozess läuft nach Piaget (1976a) in vier Schritten ab: (1) Zentrierung auf die Eigenschaft A (z. B. die Länge oder die Höhe), (2) Zentrierung auf die Eigenschaft B (z. B. die Dicke oder den Durchmesser), (3) Schwanken zw. beiden Eigenschaften, (4) gemeinsames Erfassen beider in einem kogn. Akt (Herstellung des Gleichgewichts, Invarianz-Urteil). Äquilibration hängt also nicht nur von der Erfahrung, sondern auch von der Aktivität des Individuums ab und soll auch andere widersprechende Kognitionen als die genannten betreffen.

Piaget beschreibt solche Gleichgewichte als kogn. Strukturen, die aus miteinander kompatiblen Assimilationsschemata bestehen. Das Erklimmen von Gleichgewichten ist nach Piaget auch ein Prozess der Strukturgenese. Gleichgewichtige Strukturen gestatten sog. Reversibilität, womit eine flexible Kombination von Schemata gemeint ist, die ihrerseits Umkehrbarkeit und Umwege des Denkens und Handelns ermöglicht. Ungleichgewichtige Kombinationen von Schemata stehen für kogn. Einbahnstraßen, für unflexible Vorurteile, kogn. Egozentrismus (Egozentrismus des Kindes); Äquilibration ermöglicht Dezentrierung, d. h. Perspektivenwechsel. Kognitive Ungleichgewichte erzeugen subj. Spannung; wer Ungleichgewichte wahrnimmt, versucht, sie zu beheben oder allenfalls zu meiden oder zu ignorieren. Ungleichgewichte haben also eine motivationale Komponente (Motivation). Das lässt sich didaktisch auswerten: Schüler sind zum Lernen motivierbar dadurch, dass ihnen kogn. Widersprüche erlebbar gemacht werden oder dass sie entdecken, dass notwendige gedankliche Verbindungen fehlen. Das gilt immer nur unter der Bedingung, dass sie sich die Gleichgewichtsherstellung zumuten (Selbstwirksamkeitserwartung) und nicht chronisch überfordert sind.

Referenzen und vertiefende Literatur

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